Während meiner 30-jährigen Tätigkeit in der Bayer. Wasserwirtschaftsverwaltung habe ich kaum nachhaltiges Handeln der politisch Verantwortlichen erlebt. Hochwasser war immer nur ein aktuelles Thema nach extremen Ereignissen mit erheblichen Schäden. "Da müssen wir sofort unbürokratische Hilfe leisten" war meistens die stereotypische Reaktion aus dem Umweltministerium. Da die Halbwertszeit des Vergessens sowohl bei Betroffenen als auch bei den politisch Verantwortlichen bei ca. 4 Jahren liegt, konnte nicht einmal das Hochwasser 1999 zu einem nachhaltigen Umgang mit diesem Problem beitragen. Bereits 2003 wurden in Bayern die zunächst verstärkten Mittel für den Ausbau wieder drastisch zurückgefahren. Initiativen der lokalen Fachbehörden, dem verstärkter Siedlungsdruck in die von Naturgefahren bedrohten Flächen entgegen zu wirken, wurden mit dem Versuch beantwortet, deren Unabhängigkeit mit der Integration in die Kreisverwaltungsbehörden zu beenden. Hier hätte dann der Landrat das letzte Wort. Erst das neuerliche Hochwasser 2005 nahm diesen Tendenzen ein wenig den Wind aus den Segeln. Die Möglichkeit aber, wie in den Nachbrländern Österreich und Schweiz den Problemen mit einer Gefahrenzonenplanung entgegenzutreten, wird in Bayern nicht einmal diskutiert. Hier hat man zu viel Angst vor den Wählerstimmen der Grundbesitzer.

Ein weiteres Dauerärgernis bestand für mich im Stellenwert des Naturschutzes geg. allen übrigen öffentlichen Belangen. Hier hat sich auf der Basis von Wasser- und Naturschutzgesetzen, die an die entsprechenden EU-Richtlinien angepasst werden mussten, ein Instrumentarium entwickelt, das flächenbeanspruchende Planungen wie z.B. Rückhaltebecken oder Flutpolder nahezu ad absurdum führt. Wehe es taucht in einem Planungsgebiet, das ganz oder z.T. in einem Natura-2000 Gebiet liegt, im Rahmen der "spezifischen artenschutzrechtlichen Prüfung" ein "Wiesenknopfameisenbläuling" oder ein "Mausohr" auf, ist es erstmal vorbei. Wer auf der anderen Seite aber Traumatisierung von Menschen, die von existenzvernichtenden Hochwasserereignissen betroffen waren, hautnah erlebt hat, der kann kaum verstehen wie sich Höhere Naturschutzbehörde, Naturschutzverbände und zunehmend auch die grundbesitzenden Landwirte in Netzwerken organisieren um Schutzplanungen zu verhindern oder mindestens stark zu verzögern.

Ein weiterer Punkt auf dieser Liste ist die fachliche Ignoranz die einem laufend von Lokalpolitikern, Journalisten, Verbandsvertretern und bei Erörterungsterminen zunehmend auch von auffallend vielen Lehrern entgegegen gebracht wird. Bei jedem großen Hochwasser wird von den Journalisten zuerst Prof. Weiger vom BUND das Mikrofon entgegengestreckt, in das dieser dann seine Sprechblase ablassen darf, dass auch dieses Hochwasser wieder menschengemacht ist und dass das alles zu verhindern wäre, wenn man die Deiche an den Flüssen zurückbauen, Auwälder wiederherstellen und auf Beschneiung von Skipisten verzichten würde. Fakt ist jedoch, dass Auslöser von Hochwasserereignissen immer eine außergewöhnliche Menge von Niederschlag in entsprechender Zeitspanne ist. Hier ist wohl ein Zusammenhang zwischen der Häufung von Wetterlagen die zu außergewöhnlichen Niederschlagsmengen führen und dem menschlich verursachten Klimawandel nicht zu leugnen. Bei Niederschlagsmengen von 200 mm in 24 Stunden ist es aber völlig egal, ob die Skipiste im Winter beschneit war oder nicht. Nach einer gewissen Zeit ist ist der Boden wassergesättigt und es kommt zu gleichen Oberflächenabflussraten von Waldboden, Wiesen, Skipisten und asphaltierten Parkplätzen. Das kann jeder Gartenbesitzer nachprüfen indem er 4 Gießkannen hintereinander auf 1 m2 Radieschenbeet schüttet. Spätesten nach 4 Kannen, was dann 40 mm Niederschlag entspricht, geht nichts mehr in den Boden hinein. Wie natürliche Überschwemmungsgebiete wirken, wissen Fachleute ebenfalls, seit man in der Lage ist mit 2-D-Hydraulikberechnungen und digitalen Geländemodellen Hochwasserereignisse nachzurechnen. So ist z.B. klar geworden, dass an der Iller ein 500 ha großes, natürliches Überschwemmungsgebiet im Seifener Becken die Hochwasserspitze zwischen Einlauf ins Becken und Auslauf von 800 m3/s gerade Mal um 13 m3/s auf 787 m3/s reduzieren konnte. Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist, dass bei großen Hochwasserereignissen nur gesteuerte Flutpolder, die vor Durchgang der Hochwasserspitze noch aufnahmefähig sind, die Spitze signifikant reduzieren.

Wie reagiert die Politik auf solche Erkenntnisse? Nach dem Elbe-Hochwasser im Frühjahr 2013 wurden 8.000.000.000 € an Entschädigungen für die Landwirtschaft und die betroffenen Hausbesitzer bezahlt. Damit können u.a. Häuser, die 2002 bereits beschädigt wurden, nochmals an gleicher Stelle wieder hergerichtet weden. Mit 8 Mrd. € könnten aber ca. 800 Mio. m3 Rückhaltevolumen geschaffen werden, was die Hochwasserprobleme von der tschechischen Grenze bis Hamburg wohl nachhaltig verbessern würde.

 

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